Mein Semester in Illinois in Wort und Bild

Samstag, 13. September 2008

Endlich da

Jetzt bin ich schon seit drei Tagen in Madrid, wirklich angekommen bin ich aber erst gestern - nachdem ich nach zwei anstrengenden Tagen auf Wohnungssuche ein tolles Zimmer gefunden habe. Meist sind Lena und ich zusammen losgezogen und haben uns bei den Terminen des jeweils anderen als neutraler Beobachter eingeschlichen. Mit der Beobachterfunktion kommen wir beide auf etwa 12 Wohnungen in zwei Tagen. Würden wir Kilometergeld für Fußwege und Metro-, Bus- und Renfefahrten bekommen, wir bräuchten uns um unsere Finanzen keine Sorgen zu machen. Was wir bei der Suche alles gesehen haben ist teilweise bar jeder Beschreibung.

Das Highlight war gestern eine Wohnung, die Lena im Zentrum gefunden hatte. Die Lage war optimal, direkt in der Altstadt, Einkaufsmöglichkeiten um die Ecke und alles sehr schön. Vor der Tür standen schon drei andere Leute, die auch gucken wollten. Aber die Wohnung... Wie Menschen in so einem Loch hausen können, ist mir völlig unverständlich. Die Zimmer waren alle "interior", es gab also keine Fenster. Die Wohnung war kaum beleuchtet, die Möbel alt und abgewetzt, die Wände hätten auch gut einen neuen Anstrich vertragen können. Wir wurden fast geblendet, als wir aus der dunklen Höhle auf die helle Straße gegangen sind. (Ironischerweise, wie Lena feststellte, lag die Wohnung ganz in der Nähe von der Metrostation Sol...) Die Zimmer waren so klein, dass neben das Bett nichts mehr passte, bewegen konnte man sich in den Räumen praktisch nicht. Auch die anderen Interessenten schienen wenig begeistert.

Schlussendlich sind wir aber beide gut untergekommen. Ich wohne bei einer Familie mit zwei kleinen Kindern, die auch noch eine andere Erasmus-Studentin aus Brüssel aufgenommen haben. Die Wohnung ist frisch renoviert, mein Zimmer ganz neu eingerichtet. Die Familie war super nett, heute kaufen sie noch die restlichen Möbel, damit ich morgen einziehen kann. Das Barrio ist ein ruhiges Wohnviertel mit vielen älteren Leuten, aber auch jungen Familien so wie meine Vermieter, und liegt schön zentral.



Lena hat jetzt ein Zimmer in Chueca, ein Viertel, das interessante Reaktionen hervorruft. Von "Aha" über "Ui, hay gente ... diferente" bis "Party, Party!" war alles dabei. Wir werden uns die nächsten Monate wohl ein eigenes Bild machen - dass dort eine bunte Mischung an Leuten rumläuft, ist aber offensichtlich, immerhin ist es eines der In-Viertel und das Zentrum der Homosexuellen in Madrid. Der Wikipedia-Artikel ist da sehr aufschlussreich...

Gestern haben wir zum ersten Mal unsere Uni besucht, die in einem Vorort namens Fuenlabrada liegt. Der Campus ist, genau wie die Uni selber, sehr neu, dazu enorm weitläufig. Von einem Ende zum anderen haben wir im gemütlichen Laufschritt zehn Minuten gebraucht. Die Gebäue sind groß und modern, mit viel Glas und einem Mix Beton, Stein und Holz. Architektonisch gibt sie auf jeden Fall viel her. Die Ausstattung scheint - vor allem von der Größe und Anzahl der Räume - wesentlich besser als in Münster. Es wird sogar noch weiter gebaut, um die vielen Studenten gut unterzubringen. Im International Office wurden wir freundlich empfangen, ab Montag dürfen wir dann ans andere Ende der Stadt zum Sprachkurs fahren. Da macht es sich bezahlt, dass wir uns ein Metroabo gekauft haben.

A propos Metro und sonstige öffentliche Verkehrsmittel: Die Metro und die Cercanías/Renfe (eine Art S-Bahn) sind erstaunlich sauber, da kann der deutsche ÖPNV nicht mithalten. Die Beschilderung in der Metro ist ausgezeichnet, da findet man sich sogar als Neuankömmling direkt zurecht. Das beste ist aber Bibliometro: Das sind Bibliotheken, die in manchen Stationen stehen. Sie haben unter der Woche täglich geöffnet und man kann sich für lau mit Lesematerial eindecken. Kein Wunder, dass in der Metro noch so viel gelesen wird. Statt sich mit Stöpseln im Ohr hinzusetzen, packen viele Spanier ein Taschenbuch oder die Zeitung aus. Gestern war ein junger Mann so in seinen Steven King vertieft, dass er ihn noch im Laufen und auf der Rolltreppe weitergelesen hat.

Für Sightseeing hatten wir bisher noch keine Zeit, ich war erst zwei Mal zum Gucken in der Stadt, und das für jeweil maximal eine Stunde. Für Fotos war daher noch keine Zeit, das hole ich aber nach! Das erste Mal sind Lena und ich an der Station Callao ausgestiegen, und uns fiel die Kinnlade runter - da wussten wir, dass wir in einer Großstadt sind. Nicht nur ein Gebäude war schön, sondern die ganze Straße! Es war laut und hektisch, ein krasser Gegensatz zu dem, was wir von der Gegend gewohnt sind, in der unsere Jugendherberge liegt. Großstadt eben. Da wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich in Madrid bin - irgendwie kam mir das vorher so unwirklich vor. Das zweite Mal hatte ich zwischen zwei Besuchsterminen Luft und bin in die Stadt gefahren, um mich in den Retiro-Park zu setzen. Der war dann doch zu weit weg, ich hatte die Größe der Stadt arg unterschätzt. Ich habe dann eine Bank in einer schönen Ecke gefunden und konnte das Treiben auf der Straße beobachten, was an dem Tag gut tat.

So sieht es aus, wenn man aus der Metrostation Callo aussteigt - in echt ist es noch imposanter.
Unsere Herberge ist sehr schön, kein Vergleich zu dem, was ich in Budapest oder London gesehen habe. Das Viertel, San Fermín, ist nicht unbedingt das sicherste und netteste von Madrid, das Hostel passt da gar nicht richtig rein. Ich habe das Gefühl, dass ich auf der Straße immer als Ausländer auffalle, selbst wenn ich den Mund nicht aufmache oder ohne großen Koffer durch die Gegend ziehe. Die Herberge ist sauber (ein großes Plus), die Leute sind nett und unsere Zimmernachbarn lustige Gesellen. Die Gemeinschaftsküche ist so ordentlich, dass Lena und ich uns schon zwei Mal was gekocht haben. Da tobt abends das Leben, an die Lautstärke der Spanier muss ich mich erst noch gewöhnen. Gestern wurden uns von einer Familie Kostproben spanischer Köstlichkeiten angeboten, so gut kann man sicherlich in keinem Restaurant essen. Es gab selbstgemachte Paella mit Scampi und Huhn, dazu noch mal Scampi, die in ganz viel Olivenöl und Knoblauch gegart wurden - ein einfaches, aber superleckeres Essen.

Ab heute gebe ich mich dem Tourileben hin - Sightseeing, Museen und Fotos machen ist angesagt. Heute abend ist "La noche en blanco", da sind über die ganze Stadt verteilt Konzerte, Aufführungen und Kunstausstellungen für umsonst. Bald gibt's also auch bunte Bildchen, Berichte über müde Füße (wobei sie das jetzt schon sind) und Einblicke in das angeblich so wilde Nachtleben Madrids.

¡Hasta luego!

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