Mein Semester in Illinois in Wort und Bild

Samstag, 6. Dezember 2008

Besuch aus der Heimat

Das letzte Wochenende hat für mich schon am Donnerstagabend angefangen - mit dem Besuch von Elzana und Anja. Wie die beiden schon am Flughafen bemerken mussten, habe ich mich den hiesigen Gewohnheiten ordentlich angepasst. Ich war eine viertel Stunde zu spät, was nach den Maßstäben der meisten Spanier pünktlich ist. In der Metro sind wir offensichtlich einigen Leuten auf den Geist gegangen, weil wir giggelnd und in einer fremden Sprache sprechend unserer Freude über das Wiedersehen Luft gemacht haben. Ein älterer Herr hat uns dann beim Aussteigen noch auf Spanisch angesprochen. Doch statt einer Tirade auf unsere Lautstärke hat er sich bei uns bedankt: "Ihr seid so fröhliche Menschen, hier ist so viel Freude. Vielen Dank, dass ihr das mit mir geteilt habt. Verliert eure Freude nicht! Vielen Dank!" Das ist mir auch noch nie passiert.

Die drei fröhlichen deutschen Mädchen in Madrid: Anja, Elli und ich

Das Abendessen haben wir im "Museo del Jamón" eingenommen. Elzana konnte nicht glauben, dass an der Wand wirklich etwa 200 echte Schinken mit Fuß und Knochen und allem hängen. Daran, dass hier in fast allen Lokalen geraucht wird, mussten sich die beiden auch erst wieder gewöhnen. Mir fällt das schon gar nicht mehr auf. Dafür sind die Orte, an denen nicht geraucht wird, wahrliche Inseln der Erholung.

Am nächsten Tag stand ein wenig Stadterkundung auf dem Plan. Meine Madridkenntnisse sind zwar besser geworden, aber mein Orientierungssinn hat mich doch das ein oder andere Mal im Stich gelassen. Gut, dass ich eine ordentlich Karte besitze. Mit der "gefährlichen" Seite der Stadt hat Anja am frühen Morgen schon Bekanntschaft gemacht - ein junger Mann war dabei, ihren Rucksack aufzufriemeln, als Elzana sie schnell vor sich zog. Noch mal Glück gehabt. Von da an sind wir wie richtige Touris mit dem Rucksack ordentlich zugeknotet rumgelaufen. Besser ist das.

Das Programm war relativ einfach - von Sol (unserem persönlichen Treffpunkt für das Wochenende) zum Plaza Mayor, dann Richtung Gran Vía, der Shoppingmeile. Wenn man allerdings, so wie ich, von der Puerta del Sol in die entgegengesetzte Richtung geht, lernt man noch neue Gegenden kennen. Wir konnten uns in einer mir bis dato unbekannten Straße nicht an den Schaufensterauslagen satt sehen. Entweder waren die Geschäfte voller mehr oder weniger nützlicher und schöner Utensilien für den katholischen Gottesdienst und frommen Gläubigen, oder es krabbelten in den Auslagen der Lokale halbtote Meerestiere herum. Einige Langusten schäumten sogar. Das war weniger appetitlich.

Nach einem kurzen Shoppingausflug haben wir uns mit einigen Finnen getroffen, um zur Schokoladenmesse zu gehen. Die war eine große Enttäschung. Wirklich viel probieren durfte man nicht, die Zahl der Aussteller war sehr überschaubar und der Eintrittspreis viel zu hoch. Dann haben wir auch noch eine Stunde damit verbracht, das Gebäude zu suchen - auch wenn man in weniger als zehn Minuten von der Metrostation dorthin gebraucht hätte, wenn man nicht das komplette Messegelände umrundet hätte. Aber immerhin hatten wir so was zu erzählen...

Die Schokolade war auf der Messe nicht zum Essen da, sondern zum Angucken - gemeiner geht's nicht mehr.

Samstag war ein großer Ausflug angesagt - mit einigen Spaniern und vielen anderen Erasmussern ging es nach Segovia, einem kleinen Städtchen etwa 70 km außerhalb von Madrid. Es liegt in der Provinz Castilla y León, die für ihren Wein berühmt ist, und zudem im Gebirge. Da war eisige Kälte angesagt. Der Stadtkern wurde in den 80er Jahren zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt und ist mit seinen kleinen Häuschen und den vielen romanischen Kirchen äußerst sehenswert. Besonders imposant ist das Aquädukt, das fast 2000 Jahre alt ist und noch bis 1970 genutzt wurde, um die Stadt mit Wasser zu versorgen. Es erscheint dermaßen surreal, dass man sich auf einem Set für einen Römerfilm wähnt. Wer genau der im 1. Jrhdt. n. Chr. völlig unbedeutenden Siedlung dieses riesige Bauwerk gönnte, ist bis heute unbekannt. Die 167 Bögen wurden das erste Mal 1484 auf Anweisung von Isabelle von Kastilien renoviert und halten bis heute der Luftverschmutzung stand.

Das Aquädukt - komplett ohne Zement gebaut, und es hält immer noch.
In die eindrucksvolle Kathedrale wollten dann nur drei Deutsche (einschließlich mir) und ein Italiener, während sich die anderen in einem Café aufwärmten. Sie ist zwar von außen schöner als von innen, hat aber auch dort einige nette Ecken zu bieten. Einige Teile der Kathedrale wie der schöne Kreuzgang wurden bei Baubeginn 1525 von der alten, in einem Krieg zerstörten Kirche übernommen.

Von außen scheint die Kathedrale viel größer als von innen.
Damit waren die Sehenswürdigkeiten noch nicht ausgeschöpft - auf dem Plan stand noch das Alcázar, die Burg der Stadt und eines der ungewöhnlichsten Gebäude Spaniens. Nach der Reconquista, in der die katholischen Könige alle Muslime vertrieben, wurde es nach und nach ausgebaut und sehr luxuriös ausgestattet. Dank der Führung konnten wir auch einige Details sehen, die einem beim einfachen Durchgehen sicherlich nicht auffallen. So haben wir wieder Bekanntschaft mit Isabelle der Bekloppten und ihrem deutschen Mann Philipp dem Schönen gemacht, deren Gräber wir schon in Granada sehen konnten. Der Ausblick vom höchsten Turm, aber auch vom Rest der Burg, auf die kastilische Landschaft ist atemberaubend - man kann von dort sowohl die Berge als auch das Tal gut beobachten. Kein Wunder, dass das Alcázar zu einer der beliebtesten Burgen der Könige zählte, da sie sich dort tatsächlich sicher fühlen konnten.

Das Castillo, oder Alcázar, oder einfach die Burg von Segovia

Zum Essen ging es in das Dörfchen La Granja de San Ildefonso, wo wir wieder mal in einem äußerst guten Restaurant gespeist haben. Ich hätte nie gedacht, dass das Fleisch von Kuhbacken so lecker schmecken könnte. Der Nachtisch - eine einfache Tarte mit karammelisierten Äpfeln - hat die höchsten Töne der Verzückung aus mir herausgelockt. Bei dem guten Essen ist es tastächlich ein Wunder, dass ich noch nicht kugelrund bin.

In La Granja gibt es ein weiteres Schloss der Könige, dass aber mehr ein Lustschloss war. 1721 gebaut, erinnert es eher an Sanssouci denn an das Alcázar, das wir wenige Stunden vorher besichtigt hatten. Das Schloss selber haben wir nicht besucht, dafür die enorm großen Gärten, die sofort Versaille ins Gedächtnis rufen. Riesige Wasserspiele in ordentlich beschnittenen Beeten, ein Labyrinth und ein "englischer Garten" sind zu bewundern. Wir haben uns allerdings mehr auf den Schnee konzentriert und eine große Schneeballschlacht veranstaltet. Man kann ja nicht immer erwachsen tun.

Da war der Krieg schon vorbei und einige von uns nass, aber glücklich.
Zum Ausklang des Tages sind wir dann zurück nach Madrid gefahren und waren in einem Irish Pub (oder Ierisch Pupp, wie die Spanier sagen). Ein nicht nur körperlich, sondern auch geistig anstrengender Tag für mich, da ich ständig zwischen drei Sprachen herumspringen musste. Am Ende des Tages habe ich einen seltsamen Mix aus Deutsch, Spanisch und Englisch gesprochen und Leute in einer Sprache angesprochen, die ich mit ihnen normalerweise nicht spreche. Mein Hirn war Brei.

Chueca, Madrids "Regenbogenviertel", hält immer wieder Überraschungen bereit. Bei einem nächtlichen Spaziergang sind wir auf diesen Laden gestoßen. Wer da alles einkauft, wollten wir uns lieber nicht so genau vorstellen...
Sonntag war dann dem vollen Touriprogramm gewidmet. Zum Frühstück Churros con chocolate, dann ein Bad in der Menschenmasse auf dem Flohmarkt Rastro, auf dem wir alle drei im Kruscht fündig wurden. Da das Geschiebe in der Menge irgendwann stark auf die Nerven geht, haben wir uns zum Plaza de Colón begeben, um dort das Hardrock-Café zu besuchen. Als arme Studenten die wir sind haben wir dort allerdings nicht gegessen. Außerdem war es um halb drei auch proppenvoll. Spanische Essenszeiten eben.

Da Anja und Elzana auch mal sehen wollten, wie ich wohne, sind wir dann zu mir nach Hause gefahren. Meine Vermieter haben sie leider nicht kennen gelernt, dafür war es ruhig und es hat sich keiner gewundert, dass wir Fotos in der Badewanne und mit Kopftuch machen (Ergebnisse sind bei Elzana im studiVZ zu bewundern...).

Das Aufraffen, sich noch mal hinaus in die Kälte zu begeben, hat viel Energie gekostet, sich dann aber voll gelohnt: Wir sind bei Dunkelheit an den Paseo del Prado gegangen, die Prachtstraße Madrids. Hier befinden sich alle wichtigen Museen (Reina Sofía, Thyssen-Bornemisza und natürlich der Prado) sowie einige der teuersten Hotels (Ritz, Palace) in Madrid. Die Weihnachtsbeleuchtung war zum ersten Mal an, und wir hatten die schönsten Fotogelegenheiten.

Blick auf die Puerta de Alcalá mit Weihnachtsbeleuchtung
Plaza de Cibeles und Anfang der Gran Vía mit dem Metropolis-Gebäude
Montag musste ich zur Uni, da ich eigentlich ein Referat halten sollte, was dann allerdings verschoben wurde. Aber Elli und Anja sind ja schon groß und haben sich gut alleine zurechtgefunden. Wegen der Zeitbeschränkung konnten wir leider nur noch einen kleinen Teil der Stadt sehen. Da bot sich der Plaza de España mit dem Cervantes-Monument sowie der königliche Teil der Stadt an. Im Hof des Palastes hat eine Reitergarde einen Auftritt geübt, vermutlich zum heutigen Tag der Konstitution (sie ist heute 30 Jahre alt geworden. Spanien als demokratischer Staat ist wirklich erstaunlich jung). Dann haben wir die ausgesprochen hässliche Kathedrale besucht. Der Stilmix, den man dort vorfindet, ist wirklich unglaublich - Gotik, Moderne, ein paar Ikonen... Und das ist nur die Deckenbemalung. Immerhing kostet sie keinen Eintritt (mein Tandem-Partner Héctor meint, dass sonst kein Besucher den Weg dorthin finden würde, womit er vermutlich Recht hat) und es war angenehm warm.

Den Abend haben wir bei einem letzten Mitbringsel-Streifzug und beim Essen im Schwulenviertel Chueca ausklingen lassen. Am nächsten Morgen haben sich Elli und Anja zum Flughafen aufgemacht, während ich in der Uni saß. Die fünf Tage waren wunderbar. Hiermit noch mal ein Riesendankeschön an Anja und Elli, ich habe mich wahnsinnig über euren Besuch gefreut! War eine tolle Zeit!

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