Reizüberflutung
Am 19. Dezember stand wieder eine Reise vom Erasmus-Netzwerk auf dem Plan. Dieses Mal ging es nach Sevilla und Córdoba, also wieder in den Süden, wo die Leute komisch sprechen und schöne Städte bauen. Da im Bus kein Platz mehr war, haben Laura, Ula, Lena und ich uns bei meinem Tutor ins Auto eingeladen und einen Platz in einer anderen Herberge gesucht. Die Fahrt war äußerst angenehm und schneller als im Bus.
Der erste Eindruck von Sevilla - nun ja, viel konnten wir nicht sehen, es war bereits dunkel. Aber auf jeden Fall ist der Aufbau der Stadt verwirrend, wenn man mit dem Auto von einer Ecke in die andere kommen will. Schlussendlich haben wir die Flamenco-Bar gefunden, in der der Rest der Gruppe war. Da sich aber schnell der leere Magen meldete, sind wir dort nicht lange geblieben. Mit einer kleineren Gruppe haben wir uns auf die Suche nach etwas Essbarem gemacht, die in einem netten Restaurant mit schmackhaften Tapas und Raciones (Portionen, die man mit allen am Tisch teilt) endete. Dort haben wir dann auch den ortstypischen "süßen Wein" bzw. Dessertwein probiert. Da ich mich in Sachen Alkoholika ja nicht auskenne, wusste ich auch nicht, dass Sherry so lecker schmeckt - und eigentlich aus Jerez kommt, einer Stadt in der Nähe von Sevilla. Mein Horizont erweitert sich eben ständig.
Nach dem Essen - so gegen Mitternacht - haben wir dann in unser Hostel eingecheckt. Das war ein echter Glückstreffer. Laura hatte es "ganz diktatorisch" (O-Ton Laura) ausgesucht, was aber keinesfalls schlimm war. Erst vor kurzem eröffnet, ist alles in hervorragendem Zustand. Wir hatten ein 4er-Zimmer mit eigenem Bad, das jeden morgen geputzt wurde. Die Küche war extrem sauber, da kann sich manche WG eine Scheibe von abschneiden. Auch die gemeinsamen Aufenthaltsräume und die angeschlossene Kneipe waren gemütlich und ordentlich. Das kann man nicht von allen Hostels sagen... Zudem war das Personal äußerst nett und sympathisch. Wer also jemals in den Süden Spaniens reisen will: Die Oasis Backpackers' Hostels sind eine gute Anlaufstelle.
Mit Kike und seinen Freunden haben wir uns dann zu einem Botellón getroffen (spanisch für: "Wir treffen uns in nem Park und trinken"). Einen Ort zu finden, wo man das machen darf, war reichlich schwer, irgendwann sind wir dann in der Wohnung eines der Spanier gelandet. Übermüdet wie ich war, habe ich nicht so furchtbar viel mitbekommen und war froh, als wir endlich nach Hause gingen. Der Heimweg war dafür äußerst interessant. Im Süden wird Folklore noch wirklich gelebt. Da sind dann einige mitten in der Straße in Gesang ausgebrochen, immer schön abwechselnd oder gar mehrstimmig. Die anderen haben dazu Flamenco-typisch geklatscht. Auf die Frage, wo man so was lernt, klopfte sich mein Gegenüber auf die linke Brust - das hat man eben im Blut.
Der nächste Tag war zwar leider verregnet, aber trotzdem entging mir nicht, dass Sevilla wunderbar ist. Zunächst haben wir ewig vor dem Eingang zu den Reales Alcázares gewartet. Die Organisation war etwas verpeilt, aber irgendwann sind wir dann doch noch reingekommen. Die Reales Alcázares sind wieder so eines der Zwittergebäude - ehemals arabisch, später von den katholischen Königen zurückerobert und dann umgebaut. Immer wieder schön, aber so langsam habe ich das Gefühl, dass es sich wiederholt.
Danach hatten wir Zeit, die Stadt zu erkunden. Wegen Regen und Frusts sind wir dann zu viert ganz spanientypisch in einem Café gelandet - bei Starbucks... Der ist wirklich überall auf der Welt gleich. Ab und an muss man eben auch mal die US-amerikanische Wirtschaft unterstützen.
Der Besuch der Kathedrale gestaltete sich auch etwas schwierig. Da ein hoher Festtag war (Inmaculada Concepción - Unbefleckte Emfpängnis), war die Kathedrale für Besucher nicht offen. Da bin ich eben in die Andacht gegangen, wo ich auch noch mit einem interessanten Spektakel belohnt wurde. Neben Orchester und Kinderchor traten einige etwa 10jährige Jungs in seltsamen Uniformen auf, die eine Art Tanz aufführten. Erinnerte mich an die Stippefötz im Kölner Karneval, aber schaut selbst in diesem herrlichen Video.
Der Abend war wieder lecker Essem und Fiesta gewidmet. So ist das halt, wenn man mit Erasmus weg ist...
Am nächsten Tag quälten wir uns aus den Betten und fuhren nach Córdoba. Das Wetter war wieder schön, da wirkt eine Stadt gleich viel freundlicher. Córdoba hat für eine heutige Bevölkerung von knapp 350.000 einen relativ kleinen Stadtkern, der sich schnell erschließt.
Das wichtigste und interessanteste ist die Moschee-Kathedrale, ein seltsames Zwittergebäude. Sie ist in praktisch jedem Reiseführer über Spanien als ein Must-Ziel angegeben, und das hat seinen Grund. Sie ist imposant und wunderschön, da lohnen sich die 8 Euro Eintritt.
Es handelt sich mal wieder um einen muslimischen Bau, den die Katholiken nach der Reconquista übernahmen. Aber der ist schon ziemlich besonders: Zu seiner Zeit als Moschee war sie die zweitgrößte der Welt, vor ihr kam nur noch Mekka. 23.400 Quadratmeter sind durchaus beeindruckend. Im Lauf der Zeit wurde sie immer weiter umgebaut, was ja nicht weiter schlimm ist. Aber 1523 wurde ein bauliches Verbrechen an diesem Sakralbau begangen. Die Kirche wollte ein deutliches Zeichen setzte und beschloss, eine Kirche-in-der-Moschee zu bauen. Kann ja ganz interessant sein. Aber in einen schlichten muslimischen Bau eine Renaissance-Kathedrale mit Kuppel und Prunk zu setzen, ist einfach geschmacklos. Wenn man von dieser Hässlichkeit absieht, ist es aber sicherlich eines der schönsten Gebäude, das ich bisher in Spanien gesehen habe.
Thomas und ich haben uns riesig über die lustigen Hüte der Guardia Cívil gefreut. Sie sehen wirklich aus wie ein Hundenapf.
Dann haben wir uns auf nach Madrid gemacht, so habe ich immerhin einigermaßen viel Schlaf bekommen, um mich auf die nächste große Etappe der Woche vorzubereiten: Der Besuch meines Bruders Thomas. Wir haben in drei Tagen die Stadt durchlaufen wie die Blöden, jeweils etwa 20 Kilometer täglich. Er hat sogar mehr gesehen als ich, da ich mich zwischenzeitlich an die Uni begeben habe. So kennt er jetzt das Stadion Santiago Bernabeu, in dem Real Madrid spielt. Auch das Stadion für die Torrero-Kämpfe kenne ich bisher nur von Bildern. Wir hatten zum Glück schönes Wetter und konnten die Zeit draußen mit der schönen Weihnachtsbeleuchtung genießen. Am Ende der Woche war ich natürlich krank, etwas zu viel Belastung für mich. Aber toll war's. Und das ist ja was zählt.
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