Who Says You Can't Go Home?
Ein letzter Blick auf Flörsheim, und schon durchbrechen wir die Wolken. Schöner kann der Start in ein neues Abenteuer eigentlich nicht sein. Und abenteuerlich ging es direkt los. Die Lüftung über mir hatte beschlossen, ihr Wasser loszuwerden, so dass ich einen ordentlichen Schwall abbekam. Das Lufthansa-Magazin mit seinem Hochglanzcover erwies mir hervorragende Dienste, um den Strahl von mir weg und auf mein Kopfkissen zu lenken. Der Rest des Fluges war dafür äußerst entspannt und bestand aus gutem Essen, guter Musik, einem guten Film und einer ordentlichen Portion Schlaf.
Am Flughafen erwarteten mich meine Gastmutter und meine ältere Gastschwester Lizzie. Trotz Müdigkeit auf allen Seiten haben wir es geschafft, den gesamten, beinahe dreistündigen Heimweg wach zu bleibe – es gab ja auch genug, über das wir uns auszutauschen hatten. Sechs Jahre sind eine lange Zeit. Das macht sich auch an meinem Englisch bemerkbar. So flüssig wie Ende 2005 ist es längst nicht mehr, und mein deutscher Akzent ist wesentlich stärker als er es damals war. Aber ich habe ja fünf Monate Zeit, diesen wieder auszubügeln.
Die nächsten Tage habe ich damit verbracht, mich von meiner Gastfamilie bespaßen zu lassen. Kino, Verwandtenbesuche und ein Freizeitpark standen auf dem Programm. Der Freizeitpark hat einen seltsam urigen Charme. Schon der Werbeslogan hat meines Erachtens einen Preis verdient: „There’s more than corn in Indiana – Indiana Beach!“ (Es gibt mehr als Mais in Indiana – Indiana Beach!) Eröffnet wurde er 1926 am Rand eines großen Sees als Urlaubsort mit „Boardwalk“, Burgerbuden und Liegestühlen. Im Laufe der Zeit kamen dann Attraktionen wie ein Riesenrad oder Achterbahnen hinzu. Der „Boardwalk“, eine hölzerne Strandpromenade an welcher der Großteil der Buden steht, ist noch ganz im Stil der 50er-Jahre Stil, komplett mit Beschallung durch die passende Musik. Als neueste Errungenschaft kann man an einer Seilrutsche circa 20 Meter über einen Seitenarm des Flusses rauschen und in einem kleinen Kletterpark seine Balance testen. Auf dem Weg habe ich auch etwas von der Tierwelt Indianas gesehen: Rotwild, Hasen und ein paar Kühe und Schafe auf der Weide. Die Größe der Felder ist für deutsche Verhältnisse gigantisch, aber im Gegensatz zu Illinois sind die Mais- und Sojabohnenfelder dort nur Miniaturen.
Lizzie auf der Seilrutsche |
Sarah und ich beim Klettern |
Damit die Fahrt zu meiner Uni nicht allzu lang wird, hatte meine Gastfamilie Zwischenstopps mit Übernachtung in Chicago und Champaign, IL, eingeplant. Freitagnachmittag haben sich also fünf Erwachsene mit viel Gepäck in das große Familienauto gequetscht und sind drei Stunden Richtung Chicago gefahren. Für den Abend hatten wir Karten für den „Cirque du Shanghai“ am Navy Pier. Ähnlich wie im Cirque du Soleil und dem Chinesischen Nationalzirkus haben die Artisten unglaubliche Verrenkungen mit ihren Körpern angestellt, sich zu hohen Türmen gestapelt, sind auf Motorrädern über unsere Köpfe gefahren und haben in meinem Lieblingsteil akrobatische Sprünge durch Reifen und übereinander hinweg angestellt. Danach wurden wir mit dem Ausblick auf die hell erleuchtete Skyline der Windy City Chicago belohnt – und windig war es, ganz so wie es sein muss.
Das ist keine Fotomontage, auch wenn es so aussieht: Wir stehen tatsächlich vor der nächtlichen Skyline Chicagos. Und windig war's, wie man an unseren Haaren sehen kann. |
Am nächsten Tag stand dann des Amerikaners Lieblingsbeschäftigung auf dem Plan: Einkaufen. Zunächst Ikea, um einige Dinge für mein Wohnheimzimmer zu besorgen. Das hat sich wirklich gelohnt, da der Dollar gerade so schwach ist. Bei jedem Preisschild habe ich mich gefreut: Quasi die gleichen Preise wie in Deutschland, nur dass dahinter Dollar und nicht Euro stehen. Das macht einiges aus. Dank der Ikea-Einrichtung ist mein Zimmer auch gleich viel heimeliger geworden, zumindest die Schreibtischlampe und mein Bettzeug sind mehr oder weniger so, wie ich es gewöhnt bin.
Um alle zufriedenzustellen, war für meine kleinere Gastschwester ein Ausflug in ein Einkaufszentrum mit H&M geplant. Meine Shoppingausdauer wurde dabei schwer auf die Probe gestellt: Eine Stunde in ein und demselben Klamottenladen zu sein, ist schon in einem P&C fast unmöglich. Aber ein kleinerer H&M hat sich für mich spätestens in zehn Minuten erschöpft. Kein Wunder, dass mich eine Stunde H&M arg geschlaucht hat. Die dreistündige Fahrt in den Süden Illinois‘ nach Champaign war eine willkommene Ruhepause.
In Champaign wurden wir vom Bruder meines Gastvaters und seiner Familie aufgenommen. Ein echtes amerikanisches Barbecue mit vielen leckeren selbstgemachten Beilagen (Bohneneintopf, Gemüse und Salat mit Zutaten aus dem eigenen Garten) war der kulinarische Höhepunkt meiner ersten Woche back in the USA. Von Champaign ist es nur noch ein Katzensprung von 35-40 Minuten nach Charleston, IL, wo die Eastern Illinois University gelegen ist. Es ist beruhigend, Familie in der Nähe zu wissen, die ich jederzeit anrufen kann. Zitat meines Gastvaters: „Wenn du mal was Gescheites essen willst, ruf bei Aunt Diane an, da gehst du nicht hungrig nach Hause.“ Das hat sich am nächsten Morgen beim großen Frühstück mit der gesamten Familie noch mal bestätigt: Ein Ei-Gemüse-Auflauf, Zimtrollen, Muffins, Bagels, Obstsalat – so ausgiebig habe ich lange nicht gefrühstückt. Wenn man will, kann man sich also auch in den USA relativ gut ernähren.
Nach diesem Zwischenstopp haben wir wieder alles ins Auto gepackt und uns auf nach Charleston gemacht. Zu den Eigenheiten der Initiationsriten amerikanischer Universitäten (lasst uns alle den Namen der Uni brüllen!), die Weitläufigkeit von Kleinstädten (in einer Stadt mit 20,000 Einwohnern kann man locker 25 Minuten zu Fuß laufen, bis man endlich im Stadtzentrum angekommen ist) und die unermessliche Freundlichkeit der Midwesterner gibt es dann mehr in meinem nächsten Bericht. Wie es also im amerikanischen Fernsehen heißt: Stay tuned for more after the break!
1 Kommentare:
Das klingt ja schon großartig :-)
Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß und einen guten Start.
Ganz viele liebe Grüße aus dem verregneten Deutschland ohne Sommer ;-)
Deine Anni
21. August 2011 um 15:41
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