Mein Semester in Illinois in Wort und Bild

Dienstag, 13. Dezember 2011

Giving Thanks


November bedeutet in den USA Thanksgiving. Das ist ein großes Familienfest, vergleichbar mit Weihnachten ohne Geschenke. Im Prinzip geht es darum, möglichst viele Kohlenhydrate und Fette in kürzester Zeit zu sich zu nehmen. Dagegen ist absolut nichts einzuwenden, vor allem, wenn das ganze mit einer Woche Freizeit einhergeht. Vom 18. bis 27. November hatte ich Ferien, die ich zum Reisen genutzt habe. Wie schon angekündigt, waren eine Reihe öffentlicher Verkehrsmittel involviert. Die Kurzzusammenfassung: Mit dem Auto nach Chicago, mit dem Flugzeug nach Washington, DC, da mit Bus und Metro herumgefahren, dann mit dem Flugzeug nach Chicago zurück, dort Bus und „L“ (kurz für „Elevated“, der Chicagoer Straßenbahnverschnitt), mit dem Greyhoundbus nach Elkhart, IN, Rückweg nach Chicago mit dem Zug, und dann mit dem Auto wieder nach Charleston. Klingt nach einigem Hin und Her, war’s auch. Aber es war eine tolle Zeit.

Washington - Capitol

Hier die Langversion:

In Washington habe ich Lena besucht, die dort wie ich für ein Semester studiert und für zwei Tage in der Woche einen Praktikumsplatz hat. Zum Glück konnte sie Montag und Dienstag frei nehmen, so dass wir die Stadt gemeinsam erkundet haben. Washington selbst ist eine interessante Stadt, die ich auf jeden Fall wieder besuchen werde. Wohnen möchte ich dort aber nicht. Ich habe nur den „schönen“ Teil der Stadt gesehen, der sehr an einen Vergnügungspark erinnert. Egal, wohin man schaut, sieht man Gebäude, Denkmäler, und Straßen, die man aus den Nachrichten kennt. Das ist äußerst beeindruckend, aber nicht wirklich wohnlich. Die Leute, die dort herumlaufen, sind logischerweise vorwiegend Politiker und Lobbyisten. Ohne Vorurteile nähren zu wollen, scheinen sie doch nicht die angenehmsten Zeitgenossen zu sein. Der Rest Washingtons ist aus Sicherheitsgründen nicht der ideale Urlaubsort. Nicht ohne Grund war die Stadt eine Zeit lang nicht nur als Hauptstadt des Landes bekannt, sondern auch als „Murder Capital“. Seit den 90ern hat sich die Lage verbessert, aber einige Teile der Stadt sollte man immer noch nicht durchfahren. 

Abgesehen von diesen möglichen Unannehmlichkeiten ist die Stadt ein Mekka für Touristen. Das Capitol ist beeindruckend, ebenso die Größe der sogenannten National Mall, die nicht zum Einkaufen gedacht ist. Hier reihen sich Museen (mit freiem Eintritt!) und viele Denkmäler wie das Washington Monument und das Lincoln Memorial aneinander. 1963 hat Martin Luther King, Jr., hier vor etwa 250.000 Menschen seine berühmte „I have a dream“-Rede gehalten. Die schiere Größe der Rasenfläche lässt sich nicht beschreiben, und auch auf Fotos kann man sie nur erahnen. Es dauerte sicherlich fünf Minuten, bis ich mich gefangen hatte und mit dem Sightseeing anfangen konnte. Leider hat uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht und wir haben nur die erste Hälfte gesehen. Das Lincoln Memorial habe ich bei diesem Mal ausgelassen. Ein Grund, die Stadt noch mal zu besuchen.

Die Mall - ohne Shopping, aber mit viel Sightseeing. Hier das Capitol von der anderen Seite.

Von den kostenlosen Museen haben wir einige mitgenommen: Die National Portrait Gallery mit dem Smithsonian American Art Museum – erstere lohnt sich, letzteres ist nicht ganz so spannend. Aber da der Eintritt frei ist, macht das nicht viel aus. Dann hat es uns an einem Regentag in das Hirshhorn Museum verschlagen. Da waren wir äußerst froh, nichts bezahlt zu haben. Offenbar ist es große Kunst, in einem Raum fünf Bündel roter Fäden von der Decke auf den Boden zu spannen oder pinke Plexiglasplatten übereinander an die Wand zu montieren und es dann einfallsreich „Untitled“ zu nennen. Nicht mein Fall. Das NationalMuseum of Natural History hingegen ist fantastisch. In den 2,5 Stunden, die wir dort verbrachten, haben wir noch nicht einmal die Hälfte der Ausstellungen gesehen. Große geschliffene und ungeschliffene Diamanten, ein großer Blauwal, viele ausgestopfte Tiere und eine Sonderausstellung zum Thema „Race“ waren mehr als genug.

Library of Congress - Eingangshalle

Mein liebster Ort war die Library of Congress, in der wir einen ganzen Tag verbrachten. Die Eingangshalle ist bereits beeindruckend mit klassisch anmutenden Gemälden, Skulpturen und schlauen Sprüchen. Der große Lesesaal toppt aber alles. Dort kommt man nur rein, wenn man einen Bibliotheksausweis hat, den man kostenlos erhält. Da Lena und ich für die Uni arbeiten mussten, haben wir uns in diesen beinahe sakralen Ort gesetzt. Jetzt bin ich eine vom Kongress der Vereinigten Staaten zertifizierte Forscherin mit eigenem Ausweis. Klingt auf jeden Fall gut. So gut wie in diesem Lesesaal habe ich mich noch nie konzentrieren können. Leider darf man keine Fotos machen, ihr müsst also meiner Schwärmerei Glauben schenken (oder eines dieser Fotos anschauen, hier und hier). 

Auf dieser Reise habe ich mich mit Lena um die Welt gegessen. Da wir beide relativ experimentierfreudig sind, haben wir gemeinsam mit einem ihrer Studienkollegen diverse Restaurant getestet. Zunächst südkoreanisch (lecker!), dann japanisch bei Lena daheim (auch lecker!), dann russisch (ebenso, besonders die Napoleontorte) und zu guter Letzt ein richtig amerikanisches Thankgsiving-Dinner bei meiner Gastfamilie. Wenn man noch die Schnellrestaurants mit Falafeldöner und Burritos dazuzählt, waren wir auch noch im Mittleren Osten und Mexiko. Nicht schlecht für eine Woche!

Noch mal Mall - und der Versuch, sich fotografisch am Washington Monument abzustützen. Hat nicht ganz geklappt, aber aus dieser Perspektive war es amüsant.

Chicago war ein unglaublicher Kontrast zu Washington. Die Stadt ist dreckig und laut, voller Abgase (in Washington sieht man kaum Autos, was mich sehr erstaunt hat), aber auch wesentlich wohnlicher. Meine rosarote Brille in Sachen Chicago ist immer noch intakt. 

Neben den üblichen Touriattraktionen (Bean, Magnificent Mile, Millenium Park, Loop, Gebäude gucken…) sind wir per Zufall auf den Christkindlmarket gestoßen. Mitten im Geschäftsdistrikt ist ein großer Platz mit Buden und Lichtern, auf dem Deutsche die üblichen Dinge verkaufen: Lebkuchenherzen, gebrannte Mandeln, Weihnachtssterne, Krippen, Weihnachtsschmuck... Noch nie habe ich mich so sehr über Magenbrot gefreut. Den Glühwein haben wir ausgelassen, 7 Dollar pro Tasse war dann doch etwas außerhalb unseres Budgets. 

Die Reise nach Elkhart im Greyhoundbus war interessant. Noch mal brauche ich das nicht. Ein Teil der Mitreisenden war von der eher bunten Sorte. Vermutlich habe ich zu viele Krimis gesehen, aber so mancher Passagier hätte ganz gut in Criminal Minds gepasst – und bestimmt nicht als einer der Polizisten. Wir sind jedoch gut angekommen und waren gerade rechtzeitig für die erste Runde Essen. Wir wurden vor Betreten des Hauses meines Gastonkels vorgewarnt, dass dieses Heim auf „Weihnachtssteroiden“ sei, und meine Gastschwester hat nicht gelogen. Es sieht aus wie in einem Katalog. Es ist hier absolut kein Problem, schon im November die Weihnachtsdeko inklusive Baum auszupacken. Dafür wird das Ganze meist schon vor Silvester wieder eingemottet. Meine Toleranz für Weihnachtslieder, insbesondere Rudolf, ist bereits auf einem Tiefstand angelangt.

Weihnachten im Smithsonian Institute - man beachte die hübsch-hässlichen Eulen.

Nach dem ersten Essen rollten wir uns zum Auto und sind zum nächsten Gelage gefahren, dieses Mal beim Bruder meines Gastvaters. Das Angebot war ähnlich: Truthahn, Maissoufflée, Kartoffelpüree, Brot, grüne Bohnen, Süßkartoffelauflauf, dazu noch Reispudding mit Cranberry-Relish und zum Nachtisch der obligatorische und äußerst deliziöse Pumpkin Pie (allrecipes.de/rezept/1821/amerikanischer-k-rbiskuchen--pumpkin-pie-.aspx). Die nächsten Tage hätte ich vermutlich keine Kohlenhydrate mehr zu mir nehmen müssen, davon hatte ich reichlich. 

Da Lena und ich aber ohne Furcht sind, haben wir uns zu unserem letzten gemeinsamen Essen am Samstag noch in die berühmt-berüchtigte Cheesecake Factory getraut. Nachdem uns beiden immer wieder erzählt wurde, wie fantastisch das Essen und natürlich der Käsekuchen dort sei, haben wir uns auf ein weiteres Festmahl eingelassen – und wurden nicht enttäuscht. Sogar das Dessert in Form eines Erdbeerkäsekuchens hat noch ein Plätzchen gefunden. 

Die zehn Tage waren wegen des vielen Hin und Hers und Sightseeings zwar anstrengend, aber wegen des Mangels an Unikram auch entspannend. Besonders, nach langem wieder ausgiebig mit Lena zu reisen, kochen und philosophieren, war wunderbar. Vielen Dank für die schönen Tage mit dir!

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